Jahrelang leugneten Schweizer Sozialdemokraten die Probleme mit dem Islam und warfen jenen, die auf die Gefahr des politischen Islam aufmerksam machten, «Islamophobie» vor. Nun anerkennen sie die Existenz der Probleme doch noch. Dies lässt sich aus dem Strategiepapier der SP ableiten, indem sie das Recht auf staatliche Anerkennung für muslimische Glaubensgemeinschaften fordern, um die Integration der Muslime in die Gesellschaft erreichen und den islamischen Extremismus  bekämpfen zu können. Diese staatliche Anerkennung ist aber der falsche Ansatz und verschärft das Problem.

Viele Einwanderer, Muslime wie auch Andersgläubige, haben sich erfolgreich in die Schweizer Gesellschaft integriert, ohne dass ihre Religion offiziell anerkannt werden musste. Ihr Erfolg lag darin, dass sie es verstanden, sich aus dem Griff der Religion zu befreien und sich mit den Werten der europäischen Moderne zu versöhnen, indem sie die Religion zu einer persönlichen Angelegenheit machten und ihre sozialen Beziehungen nicht darüber definierten. So war das Gelingen ihrer Integration eine klare Eigenleistung, ohne sich auf den Staat oder seine Institutionen zu stützen. Sie brauchten lediglich den Willen, Teil ihrer neuen Gesellschaft zu werden. Diesen Willen haben viele muslimische Einwanderer nicht.

Es ist jedoch nicht die Aufgabe eines liberalen Staates, Religionen anzuerkennen, sondern das Recht des Einzelnen auf Religionsfreiheit zu garantieren.

Die Forderung nach staatlicher Anerkennung muslimischer Gemeinschaften ist zudem zweifellos erst der Beginn weiterer Forderungen, vor allem in Bezug auf kulturelle Besonderheiten, wie die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung während des Ramadan, die Gewährung islamischer Feiertage oder das Recht, religiöse Programme im Fernsehen und Radio auszustrahlen.

Die SP hält in ihrem Strategiepapier zwar fest, dass die Anerkennung islamischer Gemeinschaften nur unter bestimmten Bedingungen möglich sein soll, wie der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, dem Bekenntnis zum säkularen Rechtsstaat, der finanziellen Transparent und der Unabhängigkeit vom Ausland. Wie diese Bedingungen aber überprüft werden sollen und können, darüber schweigen sie die Genossen aus. Es ist zudem bezeichnend, dass die Sozialdemokraten elementare Bedingungen wie Gewährleistung der Meinungsfreiheit und der Religionskritik unerwähnt lassen.

Das Problem der Linken besteht heute darin, dass sie in jeder Krise in deren vermeintlichen Ursache auch die Lösung sieht, nämlich im vorliegenden Fall die fehlende Anerkennung und die sozioökonomische Situation, während sie die historischen und kulturellen Determinanten der Probleme ignorieren.

Die Linken weigern sich, die internen Faktoren zu erkennen, die der Islam in den meisten muslimischen Gesellschaften zu einer autoritären Religion gemacht hat, die in einem ständigen Konflikt mit der Moderne und den Menschenrechten steht, und ziehen es stattdessen vor, sich hinter dem Diskurs über kulturelle Identitäten und Anerkennungspolitik zu verstecken.

Es ist offensichtlich, dass die SP nicht aus den Erfahrungen ihrer Genossen in anderen europäischen Ländern lernen will.

So versuchte bereits die Labour-Partei, einen «britischen Islam» zu etablieren, doch konnten sich einige ihrer islamischen Partner nicht mal durchringen, am Gedenken an den Holocaust teilzunehmen. In Frankreich gelang es den Sozialisten bis heute nicht, einen «französischen Islam» zu begründen und die Idee einer öffentlichen Islam-Stiftung scheiterte am Unwillen der muslimischen Verantwortlichen, dem Staat ein Aufsichtsrecht über ihre Finanzen zu gewähren. Ein Erfolg der staatlichen Anerkennung des Islam bleibt aus, ebenso der Beweis, dass durch staatliche Organisation der Religion die Radikalisierung von Einzelnen verhindert werden kann.

Wir brauchen heute nicht die staatliche Anerkennung des Islam, sondern die muslimische Anerkennung des Islam als eine Religion, die dringend einer internen Debatte und eines Kampfes gegen die Extremisten und ihre konservativen Interpretationen bedarf. Ohne die Krise des Islam einzugestehen und seine Fähigkeit von Faschisten und den Feinden der Freiheit und der offenen Gesellschaft “ausgebeutet” zu werden, wird es keine Lösung geben.

Verstörend ist, dass der Ruf nach Anerkennung des Islam von links kommt. Hat die Linke vergessen, dass die Religion der Hauptzerstörer der individuellen Revolution ist? Wie wurde die Partei, die angesichts der Arroganz und Tyrannei des Christentums den Slogan “Religion ist Opium des Volkes” aufbrachte, zur engsten Freundin des Islam?

Indem die westliche Linke ihre Prinzipien und Werte verraten hat. Während die Genossen hier in der Schweiz den säkularen Zivilstaat untergraben und an der Islamisierung der Moderne arbeiten, haben in Tunesien gleichzeitig Dutzende von linken und liberalen Tunesiern gegen das Gesetz der Kriminalisierung des öffentlichen Essens während des Ramadans protestiert und in Sprechchören gefordert: «Wir wollen einen säkularen, zivilen Staat». Die westliche Linke hat den Kompass verloren und steht einmal mehr auf der falschen Seite der Geschichte.

Dieser Artikel is am 31. Mai 2018 in der Weltwoche erschienen.

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